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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 09.11.1999
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 713/99
Rechtsgebiete: OWiG, StPO
Vorschriften:
OWiG § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 | |
OWiG § 1 | |
OWiG § 4 | |
OWiG § 14 | |
OWiG § 17 | |
OWiG § 19 | |
OWiG § 35 - 37 | |
OWiG § 65 | |
OWiG § 66 | |
OWiG § 79 Abs. 1 Nr. 1 | |
OWiG § 46 | |
StPO § 267 Abs. 1 S. 1 |
OLG Hamm Beschluß 09.11.1999 - 2 Ss OWi 713/99 - 32 OWi 39 Js 159/98 (507/98) AG Bochum
wegen Ordnungswidrigkeit (Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit).
Auf die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft Bochum vom 17. September 1998 und des Betroffenen vom 15. September 1998 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 11. September 1998 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 9. November 1999 durch den Richter am Oberlandesgericht Eichel als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit dem getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Bochum hat den Betroffenen und den Mitbetroffenen Borgert, dessen Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen worden ist, wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit i. V. m. § 1 der Handwerksordnung und den §§ 1, 4, 14, 17, 19, 35 - 37, 65 und 66 OWiG verurteilt und gegen den Betroffenen Schweitzer eine Geldbuße in Höhe von 8.000,- DM festgesetzt.
Gegen dieses Urteil richten sich die Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft Bochum und des Betroffenen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerden - an das Amtsgericht Bochum zurückzuverweisen und ihren Antrag wie folgt begründet:
"Es (gemeint ist das Amtsgericht) hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
"Die Betroffenen waren Geschäftsführer der mittlerweile in Konkurs gegangenen ISO-Akustik GmbH, wobei der Betroffene B. von bis einschließlich März 1993 und der Betroffene S. von 1989 bis 1995 Geschäftsführer war. Sie waren insbesondere für die Auftragserteilung und die Abwicklung der Aufträge verantwortlich."
"Anlässlich einer am 17. 12. 1992 durchgeführten, richterlich angeordneten Durchsuchung der Geschäftsräume der ISO-Akustik GmbH wurde den Betroffenen von Mitarbeitern des Amtes für öffentliche Ordnung der Stadt Bochum erklärt, dass zur Durchführung der Trockenbauarbeiten die Nachunternehmer in der Handwerksrolle eingetragen sein müssten. Ihnen wurden die gesetzlichen Bestimmungen der Handwerksordnung und des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit erläutert.
In der Folgezeit wurden bis März 1993 einschließlich weitere Aufträge im Auftragsvolumen von 19.814,72 DM erteilt. Nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers B., wurden durch den Betroffenen S. in der Zeit von April 1993 bis Januar 1995 weitere Aufträge an die o.g. Nachunternehmer in Höhe von 756.323,93 DM erteilt."
In den Gründen heißt es u. a.:
"Die Betroffenen haben die oben erwähnten Aufträge an Subunternehmer zur Durchführung des Trockenbaus erteilt, obwohl sie wussten oder wissen mussten, dass diese Subunternehmer zur Durchführung der Arbeiten in der Handwerksrolle eingetragen sein mussten."
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Wenn auch die Äußerung, insbesondere des Betroffenen S., alle Firmen hätten sich damals Nachunternehmer bedient, die nicht in der Handwerksrolle eingetragen waren und die Äußerung des Nachunternehmers H. vom 30. 03. 1993 darauf schließen lassen, dass die Betroffenen vorsätzlich gehandelt haben, so ist das Gericht aufgrund der nicht für die Betroffenen ganz klaren Gesetzeslage zu ihren Gunsten davon ausgegangen, dass sie lediglich fahrlässiger Verstoß vorliegt. Dieser Aspekt müsste jedoch bei einer erneuten Behandlung der Sach- und Rechtslage vertiefend behandelt werden, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass am 17. 12. 1992 eine Durchsuchung der Geschäftsräume der ISO-Akustik GmbH stattgefunden hat und insoweit auch eine rechtliche Belehrung durch die Mitarbeiter des Amtes für öffentliche Ordnung der Stadt Bochum stattfand.
Wenn die Betroffenen nun - wie das Gericht ausgegangen ist - den Verstoß nicht vorsätzlich begangen haben, so hätte für sie als Gewerbetreibende eine gesteigerte Erkundigungspflicht bestanden, sich vor Beginn der Tätigkeit und vor Erteilung eines jeden Auftrages über die Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften zu informieren. Dies hätte bei denen für Handwerksfragen kompetenten Stellen, wie den Ordnungsämtern der Kreise der kreisfreien Städte, den Fachverbänden oder bei Rechtsanwälten erfolgen können. Das Unterlassen der Erkundigungen läßt auch die Schuld nach § 11 Abs. 2 OWiG nicht entfallen. Dass sich die Betroffenen bzgl. des Inhaltes des Schwarzarbeitergesetzes geirrt haben, lässt ebensowenig ihre Schuld entfallen. Insoweit handelt es sich um einen vermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne des § 11 Abs. 2 OWiG."
Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Gericht Folgendes ausgeführt:
"Bei der Festsetzung der Geldbuße war bzgl. des Betroffenen S. neben des hohen Auftragsvolumens und des durchschnittlich fahrlässigen Verhaltens zu berücksichtigen, dass die Taten schon lange zurückliegen, der Zeuge S. seine Arbeit verloren hat und nunmehr als Bauleiter ein durchschnittliches Einkommen hat. Sogleich soll nicht verhehlt werden, dass der niedrige Geldbetrag von nur 8.000,- DM auch deshalb festgesetzt worden ist, weil das Gericht eine einverständliche Lösung herbeiführen wollte, die von allen Seiten getragen werden könnte."
Gegen dieses Urteil wenden sich der Betroffene und die Staatsanwaltschaft mit der allein erhobenen Sachrüge.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthaften, sowie frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerden sind zulässig. Die Rügen halte ich für durchgreifend.
Der Rechtsbeschwerde der StA Bochum trete ich bei und bemerke ergänzend:
Gemäß § 46 OWiG, § 267 Abs. 1 S. 1 StPO müssen auch bei einer Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gefunden werden. Äußerer und innerer Tatbestand sind darzulegen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflg., § 267 Rdnr. 3 m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nach diesseitiger Auffassung nicht.
Den Urteilsgründen ist nicht sicher zu entnehmen, ob das Gericht den Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit oder wegen eines nicht bußgeldbewehrten fahrlässigen Verstoßes verurteilen wollte (zu vgl. Erbs-Kohlhaas, strafrechtliche Nebengesetze, § 1 Schwarzarbeitergesetz, Rdnr. 34).
Nach dieser Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfang durch die Ausführung von Dienst- und Werkleistungen erzielt, obwohl ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Nach den Feststellungen des Gerichts soll der Betroffene als Beteiligter (§ 14 OWiG) an dem zugrunde liegenden Ordnungswidrigkeiten der Nachunternehmer mitgehandelt haben.
Hinsichtlich des äußeren Tatbestandes sind die Urteilsfeststellungen unvollständig und lückenhaft und erlauben dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die Prüfung, ob das Amtsgericht das sachliche Recht fehlerfrei angewendet hat. Hierzu wäre erforderlich gewesen, die handwerklichen Arbeiten, die die Nachunternehmer ohne Eintragung in die Handwerksrolle im Rahmen eines stehenden Gewerbes ausgeführt haben und an denen der Betroffene sich beteiligt haben soll, im Einzelnen - für jeden Auftrag - nach Art, Umfang, Zeit und Ort darzulegen. Die bloße Feststellung, der Betroffene habe innerhalb eines bestimmten Zeitraums in erheblichem Maße Nachunternehmer, die nicht in der Handwerksrolle eingetragen waren, mit entsprechenden Arbeiten beauftragt und sie durch einen Mitarbeiter der ISO-Akustik GmbH in die Arbeiten einweisen lassen, reichen insoweit nicht aus. Sie ermöglichen dem Bußgeldsenat schon nicht die Überprüfung, ob die ausgeführten Arbeiten zum Kernbereich des Stuckateurhandwerks oder aber dem Zimmerhandwerk oder dem Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierhandwerk zuzurechnen sind. Auf eine genaue Feststellung der ausgeführten Arbeiten durfte im Übrigen auch deshalb nicht verzichtet werden, weil damit der Schuldumfang und die - im Falle einer Verurteilung - Rechtskraftwirkung bestimmt werden. Die Feststellungen belegen ferner auch nicht, dass die Nachtunternehmer als selbständige Handwerker im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 Schwarzarbeitergesetz bei der Ausführung der ihnen erteilten Aufträge tätig geworden sind. Selbständiger Handwerker für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung betreibt (OLG Köln, Gewerbearchiv 1984, 342 m. w. N.). Ein selbständiger Gewerbebetrieb ist indes nicht gegeben, wenn der Betreffende in einem Umfang an Weisungen gebunden ist, dass von einer handwerksmäßigen Betriebsweise, bei der noch ein gewisses Maß an Eigenständigkeit bei der Planung der Arbeit und des Arbeitsablaufs gegeben sein muss, nicht mehr gesprochen werden kann (zu vgl. OLG Köln aaO. m. w. N.). Die Selbständigkeit kann z. B. bei Subunternehmern fehlen (zu vgl. Eiermann-Fröhler-Honig, Handwerksordnung, 3. Auflg., § 1 Rdnr. 34 m. w. N.), wenn deren Eigenständigkeit durch ihren Auftraggeber weitgehend eingeschränkt ist. Aus den Feststellungen des Amtsgerichts ergibt sich lediglich, dass der Betroffene als Geschäftsführer der ISO-Akustik GmbH die Nachunternehmer beauftragt und die Einweisung in die Arbeiten auf den Baustellen durch Mitarbeiter der Gesellschaft erfolgt ist.
Die Feststellungen des Gerichts belegen ferner nicht, dass der Betroffene wirtschaftliche Vorteile in erheblichem Umfange erzielt hat. Für die Feststellung eines solchen Vorteils kommt es auf objektive Maßstäbe an. Aus den in den Urteilsgründen mitgeteilten Auftragsvolumina lässt sich nicht ohne weiteres ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne des § 2 Abs. 1 Schwarzarbeitergesetz entnehmen.
Zur inneren Tatseite hat das Amtsgericht widersprüchliche Feststellungen getroffen. Während das Gericht in den Urteilsgründen einerseits zu der Feststellung gelangt, der Betroffene habe die Aufträge an die Subunternehmer zur Durchführung des Trockenbaus erteilt, obwohl er wusste oder habe wissen müssen, dass diese Subunternehmer zur Durchführung der Arbeiten in der Handwerksrolle hätten eingetragen werden müssen, und damit einen vorsätzlichen Verstoß zugrunde legt, führt es an anderer Stelle des Urteils (Seite 6, 7 UA) aus, der Betroffene habe nur fahrlässig gehandelt.
Gemäß § 10 OWiG kann als Ordnungswidrigkeit jedoch nur vorsätzliches Handeln geahndet werden, es sei denn, das Gesetz bedrohe fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Geldbuße. Eine derartige Geldbußenandrohung für fahrlässiges Handeln enthält das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht. Eine "zumindest fahrlässige" Begehung durch den Betroffenen könnte eine Verurteilung daher in keinem Fall rechtfertigen.
Schließlich begegnet auch der Rechtsfolgenausspruch rechtlichen Bedenken. Das Gericht hat nicht nur in unzulässiger Weise die fahrlässige Begehungsweise mildernd berücksichtigt, sondern darüber hinaus auch einen für die Festsetzung der Geldbuße unzulässigen Umstand herangezogen, indem es zum Ausdruck gebracht hat, es habe den niedrigen Geldbetrag von nur 8.000,00 DM auch deshalb festgesetzt, weil es eine einverständliche Lösung habe herbeiführen wollen, die von allen Seiten hätte getragen werden können (zu vgl. Seite 8 UA).
Nach alledem enthält das angefochtene Urteil keine ausreichenden, vom Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Feststellungen für die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der verletzten Vorschriften, so dass die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft nach diesseitiger Auffassung nicht wirksam ist, zumal auf der Grundlage der gerichtlichen Feststellungen vom Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Rechtsfolgen nicht getroffen werden kann. Da nicht auszuschließen ist, dass in einer künftigen neuen Hauptverhandlung eindeutige Feststellungen hinsichtlich des dem Betroffenen zur Last gelegten Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und für eine vorsätzliche Begehung der Ordnungswidrigkeit getroffen werden können, ist das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen."
Dem schließt sich der Senat an.
Zur Klarstellung ist lediglich anzumerken, dass die nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft als in vollem Umfange eingelegt gilt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 318 Rdnr. 32 m. w. N.).
Das angefochtene Urteil unterliegt, mithin sowohl aufgrund der Rechtsbeschwerde des Betroffenen als auch aufgrund der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft der Aufhebung.
Ende der Entscheidung
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